70 Jahre Skiliftbetrieb in Sankt Englmar! Das Jubiläumsjahr des alpinen Sports im Bergdorf

4. April 2022

„A dreiviertel Jahr Winter a Vierteljahr koid, des is da Bayerische Woid“ – eine alte Volksweisheit, die ziemlich gut das in Sankt Englmar vorherrschende raue Mittelgebirgsklima umschreibt. Das beschert dem Bergdorf einerseits das Prädikat Luftkurort und sorgt anderseits immer wieder für beachtliche Schneemengen und lange Schneedeckendauern. So verwundert es nicht, dass diese natürlichen Beschaffenheiten der Region schon früh entdeckt und entsprechend touristisch genutzt wurden.

Einen wichtigen Impuls erhielt der Tourismus im 19. Jahrhundert, als um 1870 norwegische Forststudenten auf einer Exkursion im Bayerischen Wald die ersten Schneeschuhe als Vorläufer heutiger Skier in die Gegend brachten. Bereits 1902 fand das erste Skirennen des Bayerischen Waldes in Sankt Englmar statt. An dieses erste Skirennen wird bis heute alle drei Jahre am Faschingsdienstag mit dem Nostalgieskirennen erinnert. Damals wie heute werden dabei die Skier noch selbst den Berg hinaufgetragen. Ein Skilift, der die Skifahrer den Berg hinaufbefördert, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch in weiter Ferne. Dies sollte sich jedoch schon bald ändern. Einen Höhepunkt in der Geschichte des Sankt Englmarer Wintersports stellt das Jahr 1952 dar. Vor genau 70 Jahren erfolgte der Startschuss für den Skiliftbetrieb in Sankt Englmar. Johann Kraus sen., der Englmarer Lifte-Pionier, erbaute den ersten Skilift des Bergdorfes. Der Kuli-Lift in Markbuchen beförderte ab 1952 mittels Seils und Haltegriffes erste Skitouristen den Skihang hinauf. Pro Fahrt konnten so sechs Personen hintereinander hinaufgezogen werden. „Regensburger Skifahrer waren es, die Johann Kraus den Impuls für den Bau des Liftes gaben“, so Charly Dietl, der seit 1966 die Geschicke des Skilifts Markbuchen leitete. Der jahrzehntelange Lift-Chef weiß die Anfangsphase selbst nur noch aus Erzählungen von Seniorchef Kraus. „Viele Regensburger reisten damals mit dem Zug bis nach Steinburg und legten den restlichen Weg bergauf nach Sankt Englmar zu Fuß zurück“, fährt Lifte-Sprecher Dietl fort. Dann schnallten sie ihre Bretter an und gaben sich auf geeigneten Wiesen ganz dem Abfahrtsspaß hin. Eine solch beliebte Abfahrtsstrecke war eben auch der Hang beim Berggasthof Markbuchen. Noch beliebter und populärer wurde dieser schließlich mit dem Bau des ersten Skiliftes. Anfangs beschränkte sich der Liftbetrieb auf die Wochenenden, doch schon bald sollte ein Ausbau dessen folgen. „Der Liftboy der ersten Stunde war Franz-Xaver Kraus, besser bekannt als Bubi“, erinnert sich Charly Dietl schmunzelnd. Er fährt fort: „Im zweiten Betriebsjahr, 1953, bekam der Bubi dann Unterstützung von Michael Wagner. Einer war für die Steuerung des Lifts verantwortlich, der andere musste kassieren und die Liftkarten zwicken.“. Erst im Jahr 2016 ist „Bubi“ verstorben – Der ehemalige Liftboy, ein Zeitzeuge der Englmarer Lifte-Geschichte, der alles von Anfang an kannte.

Sankt Englmar verstand sich immer mehr als Tourismusort und forcierte ab Mitte der 1950er Jahre eine vehemente Förderung des Fremdenverkehrs mit Spezialisierung auf eine touristische Wintersaison. Ein deutlicher Anstieg der Übernachtungszahlen ist ab 1957 zu verzeichnen und damit einhergehend schritt auch die Entwicklung Sankt Englmars hin zum Wintersportzentrum stetig voran. Sehr viel wichtiger als die Übernachtungsgäste waren die Naherholer aus dem Raum Regensburg und Straubing. Diese waren auch die ersten Nutznießer einer starken Spezialisierung auf die Wintersaison.

Ein Meilenstein für den Skitourismus wurde vor genau 60 Jahren gelegt, als schließlich die ersten Schlepplifte erbaut wurden. Im Jahr 1962 entstand der Bügellift Markbuchen mit der ersten Flutlichtanlage im Wintersportdorado Sankt Englmar. „Mit 1000 Watt Scheinwerfern wurde die Piste damals beleuchtet, die teils dunkle Schatten warfen. Das könnte man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, erzählt Charly Dietl. Interessant hierbei ist, dass diese erste Flutlichtanlage bereits zu einer Zeit funktionierte, in der noch nicht einmal alle Anwesen im Ort elektrifiziert waren – Ein Indiz für die herausragende Stellung des Wintersportes und dessen intensive Förderung in diesen Zeiten. Ebenfalls 1962 errichtet wurden die Skilifte Kapellenberg und Kolmberg, womit also auch der Kapellenberg ein großes Jubiläum feiern kann in dieser Wintersaison. In den Folgejahren erlebte der Wintertourismus weiterhin großen Aufschwung und so wuchs auch die Anzahl der Skilifte kontinuierlich an.

Es folgten die Schlepplifte Grün-Maibrunn (1964), Hilm und Predigtstuhl-Herzerllift (1965), Zellwies und Egidi (1967), Pröller-Klinglbach und Pröller-Hinterwies (1967) sowie der Pröller-Nordhang (1968).

Ein Jubiläumsjahr stellt das Jahr 2022 also auch für das Pröller-Skidreieck dar, das auf 55 Jahre Liftbetrieb zurückblicken kann. Nur zwei Jahre später, 1969, wurden die ersten Pistenraupen angeschafft, um den steigenden Ansprüchen der Ski-Gäste gerecht zu werden. Eine der damals größten Wintersportattraktionen wurde schließlich 1972 – vor genau 50 Jahren- mit dem Bau einer Doppelliftanlage am Predigtstuhl verwirklicht. Für das Projekt wurden zwei Waldschneisen mit einer Länge von etwa 750 m gerodet. Da der Skilift eine sehr hohe Beförderungskapazität hat, lagen dem Skilauf als Breitensport in St. Englmar nun alle Wege offen. Die schnellen Erfolge dieser Liftanlage bewogen rasch Investoren zum Aus- sowie Neubau von Skianlagen. So erreichte das Wintersportgebiet Sankt Englmar einen Höchststand von 18 Skiliften bis Ende der 1980er Jahre. Auch in den Folgejahren entstanden immer mehr Doppellift- sowie Flutlichtanlagen und schließlich konnte die erste Beschneiungsanlage am Skilift Grün-Maibrunn schon im Jahr 1999 in Betrieb genommen werden.

Sankt Englmar kann im Jahr 2022 auf 70 Jahre Skilift-Geschichte zurückblicken. Eine lange Zeit, die geprägt war von Innovation und Fortschritt, von bewährter Erfahrung und neuen Investitionen. Einige kleinere Skilifte mussten ihren Betrieb über die Jahre hinweg einstellen, sodass das Wintersportdorf heute über insgesamt zwölf Skilifte mit einer Gesamtförderkapazität von 11.000 Personen pro Stunde verfügt. Auch weitere Lifte, abseits des Schleppliftes, entstand binnen der Jahre. So existieren etwa einfache Seillifte und Zauberteppiche für die jüngsten Skienthusiasten. Abseits vom alpinen Abfahrtsvergnügen konnte im Jahr 2009 der Rodellift im Kurpark eröffnet werden. Der Schlittenlift komplettiert derzeit die Sankt Englmarer Lifte als 13. Lift. Nach 70 Jahren Lift-Geschichte taucht schließlich auch die Frage „Quo vadis Sankt Englmarer Wintersport?“ auf. Liftbetreiber wie Verantwortliche seitens des Tourismus zeigen sich äußerst zuversichtlich. „Sankt Englmar ist ein nach wie vor beliebter Wintersportort für Einheimische wie für Naherholer“, so Tourismus-Leiterin Astrid Piermeier. „Auch künftig sind wir gut aufgestellt und können positiv nach vorne blicken – wenn das Wetter mitspielt“, fährt Piermeier fort. Die Geschichte des Skitourismus in Sankt Englmar wird in jedem Fall weitergeschrieben – mit bewährter und gewiss auch so manch neuer Tinte. Auf die nächsten 70 Jahre! Ob sich wohl genau so viel wie in den vergangen 70 Jahren tun wird?

 

 

 

 

Fotoauswahl:

Foto von links nach rechts:
Die erste Beschneiungsanlage im Wintersportgebiet Sankt Englmar geht im Jahre 1999 am Skilift Grün-Maibrunn in Betrieb.
Bildnachweis: Tourist-Information Sankt Englmar

Charly Dietl spurt den Skihang Markbuchen eigenhändig mit einer Pistenwalze – Das manuelle Vorgängermodell der späteren Pistenraupe
Bildnachweis: Karl Dietl

Die erste Pistenraupe am Skilift Markbuchen feiert 50. Geburtstag. Lift-Chef Charly Dietl vor der Pistenraupe im Jahre 1972.
Bildnachweis: Karl Dietl

50 Jahre Doppellift am Predigtstuhl – Hier befördert der Bügellift seine Gäste in den 70er Jahren den Hang hinauf.
Bildnachweis: Tourist-Information Sankt Englmar.

Charly Dietl beim Einbügeln der Skifahrer in den 1970er Jahren.
Bildnachweis: Karl Dietl

Das Pröller Skidreieck feiert sein 55-jähriges Bestehen. Hier die Abfahrt Pröller Hinterwies in den 70er Jahren.
Bildnachweis: Tourist-Information Sankt Englmar.

 

 

 

 

 

 

 



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Autor(in): Günter Reimann
Reimann@ostbayern-tourismus.de

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